Der Atlas beim Pferd – Funktion, Blockaden und ganzheitliche Lösungsansätze

Der erste Halswirbel des Pferdes, der sogenannte Atlas , spielt eine zentrale Rolle in der Beweglichkeit, Koordination und Gesamtbalance des Pferdekörpers. Durch seine anatomische und funktionelle Lage direkt unter dem Schädel beeinflusst er nicht nur die Beweglichkeit des Genicks, sondern auch zahlreiche vegetative und neuromuskuläre Prozesse.
Was passiert, wenn der Atlaswirbel beim Pferd blockiert ist? Und wie äußert sich eine Genickblockade? Dieser Beitrag beleuchtet Ursachen, Symptome und therapeutische Ansätze – fundiert erklärt aus tierärztlicher und physiotherapeutischer Sicht.
Anatomie und Funktion des Atlas – was macht der erste Halswirbel beim Pferd?

Der erste Halswirbel, medizinisch „Atlas“ genannt, ist benannt nach dem Titanen aus der griechischen Mythologie, der das Himmelsgewölbe trug – sinnbildlich, denn auch beim Pferd trägt der Atlas den Schädel.
Der Atlas ist besonders geformt:
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Er hat keinen Wirbelkörper wie andere Halswirbel.
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Seine Hauptaufgabe ist die Verbindung zwischen Schädelbasis und restlicher Wirbelsäule .
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Gemeinsam mit dem zweiten Halswirbel (Axis) ermöglicht er Kopfbewegungen wie Nicken, Drehen und seitliches Neigen .
Wichtig: Der Atlaswirbel ist stark mit Gehirn, Rückenmark, Blutversorgung und vegetativem Nervensystem verknüpft. Schon kleine Fehlstellungen können Auswirkungen auf Gleichgewicht, Muskelspannung, Atmung, Herzfrequenz oder Verhalten haben.
Ursachen und Auslöser einer Atlasblockade beim Pferd
Eine Blockade des Atlas beim Pferd ist keine knöcherne Fehlstellung, sondern eine funktionelle Bewegungseinschränkung im Gelenk zwischen Atlas und Schädel oder Atlas und Axis. Mögliche Ursachen:
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Fehlbelastung durch schlecht sitzenden Sattel, zu enge Zäumung oder falsche Kopfhaltung
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Stürze, Hängerunfälle, Ausrutschen oder Festliegen in der Box
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Zahnprobleme oder Kieferasymmetrien , die Spannungen auf das Genick übertragen
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Einseitige Reitweise , z. B. permanente Stellung auf einer Hand
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Starke Zugbelastungen am Halfter oder Strick, insbesondere bei jungen Pferden
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Nach Impfungen oder Infektionen im Bereich des Halslymphsystems
Oft ist eine Atlasfehlstellung beim Pferd nicht isoliert, sondern mit muskulären Verspannungen, Faszienverklebungen und kompensatorischen Fehlhaltungen verbunden.
Symptome: Woran erkennt man eine Atlasblockade beim Pferd?
Eine Blockade des ersten Halswirbels äußert sich häufig diffus – viele Pferdebesitzer erkennen das Problem nicht direkt im Genick. Typische Symptome bei Atlasblockade beim Pferd:
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Stellungsprobleme : Das Pferd lässt sich auf einer Hand kaum stellen oder verwirft sich im Genick
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Taktunreinheiten oder Schiefe : z. B. Schulter fällt nach innen, Hinterhand tritt nicht unter
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Verhaltensänderungen : Kopfschlagen, Widersetzlichkeit, Headshaking-ähnliche Symptome
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Empfindlichkeit im Genickbereich , besonders beim Putzen oder Trensen
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Probleme beim Reiten : Das Pferd geht gegen die Zügel, läuft schief, weicht aus
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Balanceprobleme oder Unsicherheiten in engen Wendungen
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Nervenstörungen : z. B. auffällige Augenreflexe, asymmetrische Muskelspannung
Viele Reiter fragen sich: Mein Pferd lässt sich nicht stellen – kann das am Genick liegen? Ja, eine Blockade des Atlaswirbels kann genau das verursachen – und noch mehr.
Verbindung zum Nervensystem – warum der Atlas so sensibel ist
Der Atlas umschließt das Rückenmark auf Höhe des Übergangs zum erweiterten Mark – also dem Bereich, in dem wichtige vegetative Steuerzentren für Atmung, Kreislauf und Muskeltonus liegen. Eine Blockade kann:
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die Nervenleitung beeinträchtigt , etwa durch Muskelhartspann oder Durchblutungsstörungen
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Über die Faszienverbindungen zum Zungenbein , Kiefergelenk und Brustbein weitreichende Reaktionen auslösen
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den Gleichgewichtssinn des Pferdes (Vestibularsystem) irritieren
So lässt sich auch erklären, warum viele Pferde mit Atlasfehlstellung gleichzeitig mit Kreislaufproblemen, Atemproblemen oder auffälligem Verhalten reagieren.
Wie entsteht eine Blockade im Halswirbelbereich des Pferdes?
Besonders empfindlich ist der Bereich rund um den Atlas und Axis , weil dort:
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Viele Muskeln, Nerven und Lymphstrukturen liegen zusammen
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Der Zügel- und Reiterdruck wird direkt über Genick, Nackenband und Ohrspeicheldrüse übertragen
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die Beweglichkeit im Gelenk zwischen Hinterhauptbein und Atlas (Occiput–C1) besonders feinjustiert ist
Reiterliche Probleme durch Atlasverspannung zeigen sich oft bei feinen Pferden zuerst – diese Tiere verweigern die Anlehnung oder wirken „uneinladbar“. Auch: Mein Pferd läuft schief und weicht dem Zügel aus – ein typischer Hinweis auf eine mögliche Blockade.
Was liegt an der Genickblockade beim Pferd?
Wenn ein Pferd unter einer Atlaswirbelblockade leidet, ist ein ganzheitlicher Ansatz gefragt. Diagnostisch wichtig:
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Palpation und Bewegungstests im Bereich C0–C2 (Schädel–Atlas–Achse)
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Kontrolle der Kaumuskulatur, Zähne und Kieferbalance
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Beurteilung der Bewegung unter dem Reiter (Takt, Stellung, Biegung)
Behandlungsmöglichkeiten:
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Manuelle Therapie (Chiropraktik, Osteopathie, myofasziale Techniken) zur gezielten Mobilisierung
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Lösen des Atlas beim Pferd durch sanfte Mobilisierung, nicht durch ruckartige Manipulation
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Physiotherapeutische Maßnahmen zur Muskelentspannung und Verbesserung der Propriozeption
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Sattel- und Sattelzeugkontrolle sowie Anpassung der Reitweise
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ggf. Unterstützung mit Mikronährstoffen , z. B. Magnesium, um Muskelverspannungen zu reduzieren
Besonders sinnvoll ist auch eine Kombination aus Osteopathie und Reittraining, um das Pferd in gesunder Haltung zu fördern und Atlasverspannungen nachhaltig zu lösen.
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Warum der Atlas „richtig sitzen“ muss – und wann professionelle Hilfe gefragt ist
Der Atlas ist nicht nur ein tragender Halswirbel – er ist die Schnittstelle zwischen Kopf und Körper. Schon kleinste Blockaden im Atlasbereich können beim Pferd weitreichende Auswirkungen haben: Sie beeinträchtigen die Beweglichkeit, die Feinmotorik, das Nervensystem und sogar die Durchblutung des Gehirns.
Typische Anzeichen einer Atlasblockade sind:
– Verspannungen im Genick oder Abwehr bei Stellung/Biegung
– Unsicherheit in der Bewegung , z. B. beim Rückwärtsrichten oder auf engem Raum
– Störungen in der Koordination oder Balance
– Reizbarkeit, Kopfschlagen, Schiefhaltung oder Zügelabwehr
❗Wichtig: Diese Symptome können ataxieähnlich wirken , haben aber nicht unbedingt etwas mit einer neurologischen Ataxie zu tun . Atlasblockaden sind muskulär-faszial oder biomechanisch bedingt – und häufig reversibel , wenn sie entdeckt und behandelt werden.
Bitte nicht selbst „einrenken“ oder dehnen: Der Atlas ist ein hochsensibler Bereich. Wende dich bei Verdacht immer an erfahrene Tierosteopath innen, Chiropraktiker innen oder Tierärzt*innen , die auf Biomechanik und Atlas-Therapie spezialisiert sind.
Denn: Ein ausbalancierter Atlas ist die Grundlage für Gleichgewicht, Losgelassenheit und ein schmerzfreies Bewegungsmuster.
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Prävention – wie bleibt der Atlas gesund?
Ein gesunder Halswirbel beim Pferd braucht vor allem: Bewegungsfreiheit, Balance und feine Kommunikation. Tipps zur gesunden Haltung des Genicks:
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Keine scharfen Zäumungen oder Sperrriemen, die auf den Kiefer drücken
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Regelmäßige Kontrolle von Zähnen, Sattel, Reitweise und physiologischer Entwicklung
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Genügend freie Bewegung – Weidezeit, Bodenarbeit, abwechslungsreiche Reize
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Aufwärmphase vor dem Training, keine Zwangshaltungen
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Reiten mit Gefühl – Stellung, Biegung, Geraderichtung entwickeln, nicht erzwingen
Fazit – der Atlas ist klein, aber entscheidend
Der Atlas beim Pferd ist ein zentrales Bindeglied zwischen Kopf und Körper – und seine Funktion beeinflusst nicht nur die biomechanische, sondern auch die nervöse und emotionale Gesundheit deines Pferdes. Eine Blockade im Atlasbereich kann tiefgreifende Folgen haben, ist aber gut behandelbar – vorausgesetzt, sie wird plötzlich erkannt und ganzheitlich adressiert.
Wenn du bemerkst, dass dein Pferd nicht mehr locker im Genick ist, sich schwer tut mit der Stellung oder generell „nicht rund läuft“, lohnt sich ein gezielter Check des Atlasbereichs.
Denn: Ein blockierter Halswirbel kann Schmerzen verursachen – und früh erkannt lässt sich sanft und effektiv helfen.
Quellen:
– Hauss A. (2018): Osteopathie beim Pferd – Atlas, Axis & Co.
– Denoix J. (2017): Biomechanik und Pathologie des Bewegungsapparates beim Pferd
– Vandeweerd JM et al. (2016): Manuelle Therapie in der Veterinärmedizin: Evidenz und Anwendung
– Kotschwar A. et al. (2010): Atlasblockade bei Pferden – funktionelle Beeinträchtigung und klinische Korrelation
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